Es ist inzwischen 28 Jahre her, dass sich am ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl nahe der Stadt Pripyat die bisher größte nukleare Katastrophe der Menschheitsgeschichte ereignete. Doch auch wenn 28 Jahre eine lange Zeit sind, sind die Auswirkungen der Katastrophe auch in Deutschland noch zu spüren. In Thüringen sind viele Wildschweine so sehr mit Cäsium belastet, dass ihr Fleisch nicht für den Verkauf freigegeben werden kann. Ca. jedes zehnte erlegte Tier überschreitet den festgelegten Grenzwert für Cäsium.
Tschernobyl: Die erste radioaktive Katastrophe
Die Kernschmelze im Atomkraftwerk von Tschernobyl gilt nicht nur als die bisher schwerste, sondern auch als die erste radioaktive Katastrophe. Am 26. April des Jahres 1986 führte eine Explosion im Block 4 des Kraftwerks dazu, dass eine große Menge radioaktiver Stoffe in die Umwelt abgegeben wurde. Ursache der Explosion war eine Simulation eines totalen Stromausfalls, bei der es zu schwerwiegenden Verstößen gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften kam. Kontaminiert wurden dabei nicht nur die Nachbarländer, sondern die Auswirkungen der Katastrophe waren bis nach Deutschland zu spüren – und sind es auch heute noch. Im Thüringer Wald finden sich selbst heutzutage noch Wildschweine, die so sehr verstrahlt sind, dass ihr Fleisch in Deutschland nicht verkauft werden darf, heißt es in einer Mitteilung der dpa.
Das Problem bleibt bestehen
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden im letzten Jahr 586 erlegte Wildschweine untersucht. Bei fast jedem zehnten wurde der Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm Fleisch überschritten. Wie die Leiterin des Referats für Lebensmittelüberwachung, Karin Schindler, sagte, sei ein Ende des Problems nicht abzusehen. Die Halbwertszeit von Cäsium beträgt 30 Jahre. Laut Schindler sind Wildscheine stärker als andere Wildtiere betroffen, da sie im besonders stark mit Cäsium belasteten Waldboden wühlen. „Sie nehmen dabei in großem Umfang Pilzmyzel auf, in dem sich Cäsium besonders stark anreichert“, so Schindler. Wildschweine in Waldgebieten seien deshalb besonders von der Problematik betroffen.
Nicht jedes der geschossenen Wildschweine wird auch untersucht. Laut Schindler gibt es ein abgestuftes System mit Schwerpunktgebieten. In diesen Schwerpunktgebieten müssen alle Tiere getestet werden. Es gibt allerdings auch Jagdgebiete, in denen nur jedes fünfte geschossene Tier untersucht wird sowie Gebiete mit noch kleineren Stichproben. Schwerpunktgebiete liegen vor allem in den Landkreisen Hildburghausen, Gotha und dem Ilm-Kreis. Verantwortlich hierfür ist die dortige Waldstruktur sowie die Wetterbedingungen nach dem GAU 1986.
Jäger werden entschädigt
Untersucht werden müssen nur Tiere, die für den Verkauf oder für Schenkungen vorgesehen sind. Möchte der Jäger das Fleisch selber verzehren, ist eine Untersuchung nicht nötig. „600 Becquerel ist ein sehr niedriger Grenzwert. Wenn man das einmal isst, ist das kein Problem“, so Schindler. Sollte der Test positiv ausfallen, muss das Fleisch entsorgt werden. Die Jäger werden dann entschädigt.
Radioaktiv belastete Nahrung: Eine Gefahr für die Gesundheit
Radioaktiv belastete Nahrung ist nach Expertenmeinung jedoch keinesfalls unbedenklich, sondern ihr Verzehr ist äußerst gesundheitsgefährdend. Nach der Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima wurde die Bevölkerung gewarnt, dass sich Jod 131 in der Schilddrüse sammelt und zu Schilddrüsenkrebs führen kann. Bei Cäsium 137 besteht die Gefahr, dass der Stoff Leukämie auslöst. Die geltenden Grenzwerte werden ebenfalls von Expertenseite kritisiert. Auch bei minimalen Belastungen seien negative gesundheitliche Folgen möglich.